Erstattete Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 22.3.2023 eine Entscheidung zur steuerlichen Behandlung erstatteter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung getroffen. Es wurde festgestellt, dass solche Erstattungen, die aufgrund einer Rückabwicklung oder rückwirkenden Umstellung eines Sozialversicherungsverhältnisses erfolgen, mit den entsprechenden Aufwendungen verrechnet und dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet werden müssen. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob im Jahr der Erstattung noch eine Änderung der Steuerbescheide der vorherigen Zahlungsjahre möglich ist.

Darüber hinaus hat das Gericht entschieden, dass die Regelungen zur Verrechnung und Hinzurechnung erstatteter Sonderausgaben nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Steuerpflichtige können sich also nicht darauf berufen, dass sie aufgrund der ursprünglichen Regelung nicht mit einer solchen steuerlichen Behandlung gerechnet haben.

Im vorliegenden Fall erhielt ein Ehepaar eine Erstattung für mehrere Jahre ihrer Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Das Ehepaar hatte gegen ein Urteil der Vorinstanz Revision eingelegt, in dem diese Erstattung steuerlich berücksichtigt worden war. Mit der Entscheidung des BFH wurde diese Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Verlustrücktrag im Entstehungsjahr ohne Doppelverwendung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einem Urteil vom 3.5.2023 eine Klärung im Bereich des Verlustrücktrags vorgenommen. Es wurde entschieden, dass, wenn negative Einkünfte in einem Jahr entstehen und in das vorherige Jahr zurückgetragen werden, sie im Jahr ihrer Entstehung nicht mehr berücksichtigt werden können. Dies bedeutet, dass diese Verluste nur für eines der beiden Jahre geltend gemacht werden können.

Der konkrete Fall, der zu dieser Entscheidung führte, betraf die Frage, wie ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte in einem Jahr behandelt wird, insbesondere im Hinblick auf einen Kirchensteuererstattungsüberhang. Es gab Unklarheiten darüber, ob dieser negative Gesamtbetrag einen solchen Überhang ausgleichen kann, wenn die negativen Einkünfte bereits im vorherigen Jahr durch den Verlustrücktrag berücksichtigt wurden.

Der BFH hat diese Frage nun geklärt und festgestellt, dass Verluste, die in das vorherige Jahr zurückgetragen wurden, im Jahr ihrer Entstehung nicht mehr berücksichtigt werden können. In dem konkreten Fall bedeutet das, dass sie nicht zur Ausgleichung eines Kirchensteuererstattungsüberhangs im Entstehungsjahr verwendet werden können. Das ursprüngliche Urteil des Finanzgerichts München wurde vom BFH aufgehoben.

Pauschalisierung der Lohnsteuer für geringfügig Beschäftigte

Im Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9.8.2023 wurde klargestellt, dass die Pauschalierung der Lohnsteuer für geringfügig Beschäftigte an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist.

Das Gericht entschied, dass Arbeitgeber die Lohnsteuer für geringfügig Beschäftigte nur dann pauschalieren können, wenn der Arbeitnehmer auch sozialversicherungsrechtlich als geringfügig Beschäftigter gilt. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie sicherstellen müssen, dass ihre geringfügig Beschäftigten korrekt bei der Sozialversicherung gemeldet sind, wenn sie die Vorteile der pauschalen Lohnsteuer nutzen möchten.

Bewertung lebenslänglicher Nutzungen in der Erbschaftsteuer

Bei der Übertragung von Vermögen und der anschließenden Erbschaftsteuerberechnung stand kürzlich ein spezieller Fall vor dem Finanzgericht Köln zur Verhandlung.

Ein Vater hatte Vermögen auf seine Kinder übertragen, behielt sich jedoch ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor. Dies bedeutet, dass er weiterhin die Einnahmen aus dem Vermögen, wie Mieteinnahmen, für sich beanspruchen konnte. Für die steuerliche Bewertung wurde der Wert des Nießbrauchs – der den zu versteuernden Erwerb reduziert – durch Multiplikation des Jahreswertes der Einnahmen mit einem vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) festgelegten Vervielfältiger ermittelt. Dieser Vervielfältiger lehnt sich an die statistische Lebenserwartung an.

Die Steuerpflichtigen brachten vor, dass die angewandte Methode zur Ermittlung des Vervielfältigers nicht korrekt sei. Ihrer Meinung nach, sollte die Berechnung nicht allein auf der allgemeinen statistischen Lebenserwartung basieren, sondern zusätzliche Kriterien berücksichtigen.

Das Finanzgericht Köln gab dieser Argumentation nicht statt. Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde zugelassen, der nun über die Richtigkeit der derzeitigen Berechnungsmethodik entscheiden wird. Der Fall könnte weitreichende Bedeutung erlangen, da zusätzlich die Frage zu klären ist, ob die Verwendung geschlechtsdifferenzierender Sterbetafeln gegen das spezielle Gebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau des Grundgesetzes verstößt.

Die Revision ist unter dem Aktenzeichen II R 38/22 anhängig. Bis zur Klärung durch den BFH sollten Erbschaftsteuerfestsetzungen unter Berücksichtigung von lebenslänglichen Nutzungen oder Leistungen vorsorglich offengehalten werden.

Kein Schadensersatz bei bloßem Verstoß gegen die DSGVO

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) v. 4.5.2023 begründet der bloße Verstoß gegen die DSGVO keinen Schadensersatzanspruch. Der EuGH stellt als Erstes fest, dass der in der DSGVO vorgesehene Schadensersatzanspruch eindeutig an drei kumulative Voraussetzungen geknüpft ist:
•    einen Verstoß gegen die DSGVO,
•    einen materiellen oder immateriellen Schaden, der aus diesem Verstoß resultiert und
•    einen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß.
Demnach eröffnet nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO für sich genommen den Schadensersatzanspruch.

Zweitens führte der EuGH aus, dass der Schadensersatzanspruch nicht auf immaterielle Schäden beschränkt ist, die eine gewisse Erheblichkeit erreichen. Als Drittes und Letztes stellt der EuGH fest, dass die DSGVO keine Regeln für die Bemessung des Schadensersatzes enthält. Daher sind die Festlegung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des in diesem Rahmen geschuldeten Schadensersatzes Aufgabe der Rechtsordnung des einzelnen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind. In diesem Zusammenhang betonten die Richter des EuGH die Ausgleichsfunktion des in der DSGVO vorgesehenen Schadensersatzanspruchs und wiesen darauf hin, dass dieses Instrument einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden sicherstellen soll.

In dem vom EuGH entschiedenen Fall sammelte die Österreichische Post ab dem Jahr 2017 Informationen über die politischen Affinitäten der österreichischen Bevölkerung. Mit Hilfe eines Algorithmus definierte sie anhand sozialer und demografischer Merkmale „Zielgruppenadressen“. Nun forderte ein Mann von der österreichischen Post Entschädigung für einen immateriellen Schaden in Höhe von 1.000 €, da ihm dadurch eine besondere Affinität zu der fraglichen Partei zugeschrieben worden sei, und er ein großes Ärgernis und einen Vertrauensverlust sowie ein Gefühl der Bloßstellung verspürte.

Kaufpreisminderung trotz Nachbesserung

Der Käufer einer mangelhaften Sache kann von dem Verkäufer in Ausübung seines Wahlrechts (Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache) auch dann Nachbesserung verlangen, wenn feststeht, dass der Mangel durch die Nachbesserung nicht vollständig beseitigt werden kann („Ausbesserungsanspruch“). Entscheidet er sich für diese Variante, kann er zusätzlich den Kaufpreis in dem Umfang mindern, in dem der Wert der Kaufsache wegen des verbliebenen Mangels gegenüber dem Wert einer mangelfreien Sache herabgesetzt ist.

Der Verkäufer kann das Nachbesserungs- und Minderungsverlangen zurückweisen und den Käufer auf die (mögliche) Nachlieferung verweisen, wenn die verlangte „Ausbesserung“ unter Berücksichtigung der zusätzlichen Kaufpreisminderung unverhältnismäßig und ihm deshalb nicht zumutbar ist.

Kündigung – Anrechnung von Überstunden auf Freizeit­ausgleichs­ansprüche

Regeln die Parteien in einem gerichtlich protokollierten Vergleich, der die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer Kündigung zum Gegenstand hat, dass der Arbeitnehmer unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird, werden in einem weiten Verständnis des Begriffs „Freizeitausgleichs­ansprüche“ auch etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung erfasst.

Bei der Formulierung, Urlaubs- und Freizeitausgleichs­ansprüche sollten auf den Zeitraum der Freistellung angerechnet werden, handelt es sich um eine typische Formulierung in arbeitsgerichtlich protokollierten, im Wege eines Vergleichs zustandegekommenen Aufhebungsvereinbarungen. Die Vertragsparteien wollen damit erreichen, dass etwaige offene Urlaubsansprüche, die häufig streitig sind, ebenso wie sonstige Ansprüche auf Freizeitausgleich, mögen sie aus Arbeitszeitkonten oder erbrachten Überstunden folgen, in den Zeitraum der erfolgten Freistellung hineinfallen und verrechnet werden.

Beendigung einer Home-Office-Vereinbarung

Während der Corona-Pandemie haben viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Arbeiten im Home-Office oder mobiles Arbeiten vereinbart. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Varianten ist der stationäre Arbeitsplatz. Im Home-Office gibt es einen festen Arbeitsplatz außerhalb des Betriebs, während bei der mobilen Arbeit die Arbeit nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist.

In einem vom Landesarbeitsgericht Hamm entschiedenen Fall wurde vereinbart, dass der Arbeitnehmer ab dem 1.7.2017 oder früher seine Arbeitsleistung im Wesentlichen in seiner Wohnung (häusliche Arbeitsstätte) erbringen, aber nach Arbeitsbedarf auch in den Unternehmensräumen tätig werden sollte. Diese Vereinbarung konnte u.a. durch eine der beiden Parteien gekündigt werden. Am 28.1.2022 kündigte der Arbeitgeber die Vereinbarung zum 1.4.2022. Der Arbeitnehmer war damit jedoch nicht einverstanden.

Vor Gericht bekam der Arbeitgeber Recht, da mit der Vereinbarung einer Tätigkeit im Home-Office der Ort der Arbeitsleistung festgelegt wurde. Damit ist nicht der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses angesprochen, sondern ein Bereich, der dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

Freiwillig Versicherte – Einkommen beider Eheleute für Beitragshöhe maßgeblich

Die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge richtet sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen. Bei einem freiwillig Versicherten ist dessen gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Ist dessen Ehegatte oder Lebenspartner nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse (GKV), so sind auch dessen Einnahmen bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen. Dies gilt für alle freiwillig Versicherten, nicht nur für die hauptberuflich selbstständig Tätigen.

In einem vom Hessischen Landessozialgericht (LSG) entschiedenen Fall wehrte sich eine freiwillig bei einer GKV versicherte Frau gegen die Festsetzung ihrer Versicherungsbeiträge. Das Einkommen ihres privat krankenversicherten Ehemanns hätte bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Krankenkasse hingegen verwies auf die sog. „Verfahrensgrundsätze Selbstzahler“, nach welchen auch das Einkommen des Ehegatten zu berücksichtigen ist. Die Richter des LSG bestätigten die Auffassung der Krankenversicherung.

Erlöschen eines Bestandsschutzes bei Umbau

Ein etwaiger Bestandsschutz kann erlöschen, wenn ein Wohnhaus angesichts der bereits durchgeführten Baumaßnahmen nicht mehr mit dem zuvor vorhandenen Altbestand identisch ist. Auch wenn die Ausmaße des Wohnhauses mit dem Altbestand identisch sind und die durchgeführten Arbeiten im Wesentlichen zum Zweck der Renovierung und Sanierung erfolgten, verhindert dies im Übrigen nicht, das Wohnhaus als anders („aliud“) gegenüber dem Altbestand einzuordnen. Selbst dann, wenn Außenwände im Wesentlichen unverändert bleiben, kann ein Gebäude im Einzelfall durch zahlreiche, auch baugenehmigungsfreie Baumaßnahmen so sehr verändert werden, dass es einem Neubau gleicht.

So entschieden die Richter des Oberverwaltungsgerichts NRW gegenüber einem Bauherrn, dass ein rechtmäßiger Zustand allein durch eine vollständige Beseitigung des im Umbau befindlichen Wohnhauses erreicht werden könne, da ein etwaiger (formeller oder materieller) Bestandsschutz für den Altbestand im Zuge der Baumaßnahmen erloschen sei.